"Schutzengel" müssen nicht weiblich sein!

Erwiderung auf den Artikel „Junge Frauen werden zu Schutzengeln“ im RGA vom 6.1.22

 

Jede Initiative, die dazu führt, Unfälle im Straßenverkehr zu vermeiden und so Fahrer und Mitfahrende zu schützen, ist erstmal zu begrüßen. Wenn dazu ein „umfangreiches Portfolio“ im Polizeipräsidium vorliegt und entsprechend viele Maßnahmen durchgeführt werden, ist auch dies in jedem Fall positiv!

Allerdings stellt sich schon die Frage, warum junge Frauen lernen sollen, das Fahrverhalten junger Männer zu beeinflussen. Muss nicht auch gerade auf junge Männer als Fahrer eingewirkt und an ihr Verantwortungsbewusstsein appelliert werden, um angepasstes Fahrverhalten an den Tag zu legen? Zudem sollten auch Männer „Schutzengel“ sein!

Außerdem zieht in diesem Zusammenhang das Argument nicht, dass „junge Frauen als Mitfahrende etwa doppelt so häufig Opfer von Verkehrsunfällen sind als männliche Mitfahrende“. Der Grund hierfür muss u.a. darin gesehen werden, dass etwa Sicherheitsgurte ausschließlich an Männern getestet und dann in Autos eingebaut werden. Hier muss bei den Herstellern und dem Gesetzgeber unbedingt ein Umdenken erfolgen.  

„Der Mann fährt (rücksichtslos) das Auto und die Frau ist die (liebe) Beifahrerin“ – man möchte meinen, es handelt sich hier um extrem veraltete und längst über Bord geworfene Rollenbilder. Gleichzeitig ist es aber genau das, was Remscheider Schüler:innen durch das Angebot des Schutzengelprojektes seit Jahren vermittelt wird.

Das Schutzengelprojekt wird bereits seit einigen Jahren von den Verkehrssicherheitsberater:innen der Polizei Remscheid durchgeführt und richtet sich an Schülerinnen der zehnten und elften Jahrgangsstufe. Ziel der Schulungen, die im Rahmen dieses Projektes stattfinden ist es potentielle Beifahrerinnen dafür zu sensibilisieren, gefährliches Fahrverhalten (männlicher) Fahrer zu erkennen und diesem entgegenzuwirken. Allgemein halten wir derartige Schulungen durchaus für sinnvoll, dass dieses Projekt aber ausschließliche junge Frauen anspricht, ist aus unserer Sicht extrem fragwürdig. Unserer Ansicht nach werden den Schülerinnen und Schülern durch diese geschlechtsspezifische Separierung veraltete, binäre Geschlechternarrative vermittelt. Da eine solche Denkweise definitiv nicht mehr zeitgemäß ist und bei vielen Schülerinnen und Schülern auf Unverständnis stößt, hatten wir für den Ausschuss für Gleichstellung, Vielfalt und Antidiskriminierung am letzten Donnerstag (28.10.2021) eine Anfrage zu diesem Thema formuliert. Wir haben unter anderem um eine detaillierte Erläuterung des Konzepts gebeten und wollten wissen, aus welchen Gründen derartige Schulungen ausschließlich Schülerinnen vorbehalten sind bzw. ob es alternativ Angebote für Schüler gibt. Die Stadtverwaltung verwies in der gestrigen Ausschusssitzung allerdings nur darauf, dass es sich um ein Angebot der Polizei, nicht aber der Stadt Remscheid handele und konnte zunächst keine weitere Auskunft geben. Sie hat jedoch zugesichert sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen und dieses Thema zu thematisieren.